Datum: 21. März 2023 (Dienstag)
Beginn: 18 Uhr
Veranstalter:
Demokratisches Netzwerk Hunsrück-Hochwald e.V.
Wir freuen uns auf eine friedliche Mahnwache. Wer eine anlassbezogene Rede halten möchte, kann diese gerne bei uns vorab oder vor Ort anmelden.
Hinweis für Autofahrer:
bitte auf dem großen Parkplatz der Stadtverwaltung Idar-Oberstein parken, Zufahrt über die Straße „Auf der Idar“ – die Schranken sollten dort geöffnet sein. Über den Gehweg erreichen Sie die Mahnwache vor den Stadtwerken Idar-Oberstein innerhalb von 2 Minuten.
Rede zum Gedenken an Georg Maus
Georg Maus wurde 1888 in Oberhessen geboren, sein Vater war evangelischer Pfarrer. Nach dem Abitur wollte Maus selbst Pfarrer werden, wechselte dann aber zum Lehramtsstudium mit den Fächern Theologie, Deutsch und Geschichte.
Während des Ersten Weltkriegs wurde sein Studium durch einen vierjährigen Kriegsdienst unterbrochen.
Maus legte 1920 in Kiel die Lehramtsprüfung für Höhere Schulen ab. Danach unterrichtete er elf Jahre lang an verschiedenen Standorten, 1936 erhielt er eine feste Anstellung am Realgymnasium in Wuppertal.
Die politische Gesinnung von Maus war nationalkonservativ, bis 1933 war er Mitglied der Deutschnationalen Volkspartei, deren Programmatik Nationalismus, Nationalliberalismus, Antisemitismus sowie völkische Elemente enthielt. Die Abgeordneten der Deutschnationalen Volkspartei stimmten am 24. März für das Ermächtigungsgesetz, das den Weg in die Diktatur freimachte. Sie schlossen sich nach der Selbstauflösung der Partei im Juni 1933 der NSDAP-Fraktion an.
Georg Maus trat 1933 in den NS-Lehrerbund ein.
Allerdings war und blieb die entscheidende Richtschnur in seinem Leben die Heilige Schrift. Maus befand sich im Austausch mit Pfarrern der Bekennenden Kirche, eine Oppositionsbewegung evangelischer Christen gegen Versuche einer Gleichschaltung mit dem Nationalsozialismus.
Im November 1933 ereignete sich im Berliner Sportpalast ein Skandal, was die Herausbildung einer Opposition auf evangelischer Seite verstärkte. Grund dafür war die Rede eines ihrer führenden Vertreter. Vor mehr als 20.000 Zuhörer:innen forderte der Gau-Obmann der Deutschen Christen für Groß-Berlin die Loslösung vom Alten Testament mit seiner „jüdischen Lohnmoral“ und seinen „Viehhändler- und Zuhältergeschichten“. Der Redner forderte den Verzicht auf die ganze „Sündenbock- und Minderwertigkeitstheologie“ des Rabbiners Paulus und setzte sich für die Verkündigung eines heldischen Jesu ein. Im Anschluss wurde eine entsprechende Entschließung bei nur einer Gegenstimme von der Versammlung angenommen.
Dieser Skandal im Berliner Sportpalast öffnete Georg Maus die Augen. Als im Mai 1934 die Bekennende Kirche allen politischen Ideologien und staatlichen Totalitätsansprüchen eine Absage erteilte und jede Zusammenarbeit mit staatlichen Kontrollorganen verweigerte, war Maus einer der Ersten, der die Mitgliedskarte der Bekennenden Kirche unterschrieb – sie wurde von Martin Niemöller gegengezeichnet.
In dieser Zeit herrschte in Wuppertal ein Klima das Maus zuträglich war, hier konnte er sich für die Bekennende Kirche engagieren. Einer Gruppe von Jungen bot er den Religionsunterricht bei sich zu Hause an. Er wappnete sie vor den Werbekommandos der Waffen-SS, gemeinsam spielten sie durch, welche Antworten zu geben waren, um einer Unterschrift zu entgehen.
Maus verließ 1939 aufgrund seiner religiösen Überzeugung den NS-Lehrerbund.
Im Juni 1943 hatte Maus einen ersten Zusammenstoß mit der Gestapo. Während eines Fliegerangriffs mit Brandbomben auf Wuppertal, soll er zornig gerufen haben: Diese Feuersbrunst ist das rechte Zeichen für das Dritte Reich. Aus den höllischen Flammen ist es gekommen, und in Flammen wird es untergehen. Dies schreckliche Feuer ist Gottes Gericht über unsere angeblich so fromme Stadt, dafür, dass auch wir Christen zu all dem Frevel viel zu viel geschwiegen haben. Das alles können wir Hitler verdanken! Der Ausruf kam der Gestapo zu Ohren, die daraufhin Maus niederschlug.
Als im Sommer 1943 er und seine Familie (Maus hatte drei Kinder) alles bei einem Luftangriff verloren und auch das Gymnasium, an dem er unterrichtete, zerstört wurde, wurde er von der Schulbehörde nach Idar-Oberstein versetzte.
Hier wurde er unfreundlich empfangen, der stellvertretende Direktor, Oberstudienrat Dr. Fritz Cullmann, eröffnete: Wir können Sie hier ja eigentlich nicht gebrauchen. Es wäre uns lieber, Sie wären dortgeblieben, wo Sie hergekommen sind. (An dieser Stelle ergänzend: Cullmann wurde nach dem Krieg von den Alliierten zur Rechenschaft gezogen, sie internierten ihn, in der Haft beging Cullmann Selbstmord)
In seinem Unterricht sprach Maus offen über seine christliche Haltung. Wohlwollende Kollegen warnten ihn, vorsichtiger zu sein, um sich nicht unnötig in Gefahr zu bringen. Er ging jedoch nicht auf diese Ratschläge ein, sondern blieb fest im Glauben und bei der Eindeutigkeit des biblischen Wortes. So kam es immer wieder zu kritischen Situationen.
Die Situation eskalierte, als er während des Unterrichts den Begriff Feindesliebe erklärte. Eine Schülerin stellte die Frage, ob das Gebot der Feindesliebe auch im Blick auf die Engländer gelte, die deutsche Städte bombardierten, wo doch Goebbels gesagt habe, man müsse sie hassen. Ohne Zögern antwortete Maus, dass Jesus Feindesliebe geboten habe und man davon nichts zurücknehmen könne.
Der Rektor wurde zu einer Stellungnahme aufgefordert, darin hieß es, Maus erlebe als bibelgläubiger Christ den Nationalsozialismus als fremde Welt, mit seiner Haltung finde er bei den Kindern kein Verständnis. Er habe ihn angewiesen künftig solche Äußerungen zu unterlassen.
Doch nach kurzer Zeit wurde Maus mitten im Unterricht von zwei Gestapoleuten verhaftet und vom Dienst suspendiert. Gleichzeitig begann die Vernehmung seiner Schülerinnen und Schüler. Maus selbst kam nach Koblenz in Untersuchungshaft, erst nach Tagen durfte er seine Familie verständigen.
Nach der Untersuchung des Staatsanwaltes wurde er wegen Wehrkraftzersetzung angeklagt und im November 1944 vor dem Volksgerichtshof in Berlin zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. In der Urteilsbegründung hieß es:
Der Angeklagte Georg Maus hat als Religionslehrer vor seinen Schülern im Zusammenhang mit dem Bibelwort ‚Liebet Eure Feinde‘ Anschauungen vertreten, die geeignet waren, die staatspolitische Einstellung und die Entwicklung der Kinder zu gefährden.
Unmenschliche Haftbedingungen im Berliner Gefängnis bewirkten bei Maus rasch einen bedrohlichen Gesundheitszustand, nach kurzer Zeit war er durch Herzanfälle und Ödeme ausgezehrt und geschwächt. Gerüchte darüber, dass die Alliierten sich näherten, bewegten die Gefangenen zum Durchhalten. Um sie vor dem Zugriff der Alliierten in „Schutzhaft“ zu bringen begann im Februar 1945 ihr Abtransport, Ziel sollte das KZ Dachau sein.
Auf der Höhe von Plauen im Vogtland verstarb Georg Maus in den Armen eines Mitgefangenen. Sein Leichnam wurde aus dem Zug ausgeladen und lag zunächst einige Tage an einem Bahndamm, ehe er dann auf dem Friedhof des Ortes beigesetzt wurde. 1960 wurden die Überreste von Georg Maus in die KZ-Ehrenstätte Flossenbürg umgebettet.
In späteren Jahren schrieb eine seiner Schülerinnen: Maus war für Christen ein Mensch, der seinen Glauben so ernst nahm, dass er ohne zu zögern das Kreuz auf sich nahm. Für Atheisten war er ein Mensch, der es nicht zuließ, dass man ihm die innere Freiheit nahm, seinem eigenen Gewissen zu folgen.
Text: Roswitha Klee-Emmerich
Literatur:
https://www.grin.com/document/370914
https://de.evangelischer-widerstand.de/html/view.php?type=biografie&id=24
Loscher, Klaus; Hahn, Udo, „Ich habe nicht verleugnet“ Georg Maus: Leben und Wirken eines Religionslehrers im Dritten Reich, Berlin 1991
Warum veranstalten wir die Mahnwache?
Am 21. März, dem internationalen Tag für die Beseitigung der Rassendiskriminierung, veranstaltet die AfD in der Georg-Maus-Str. in Idar-Oberstein einen „Bürger“-„Dialog“.
Ausgerechnet in der Straße, mit deren Namen die Stadt Idar-Oberstein an Georg Heinrich Ludwig Gottfried Maus, Religionslehrer und Opfer des NS-Regimes (1888-1945) gedenkt. Einem Mann, der aufgrund seiner humanitären und christlichen Haltung während des Unterrichts im Göttenbach Gymnasium denunziert wurde. Er wurde verurteilt und inhaftiert. Geschwächt von Herzanfällen und Ödemen, ausgezehrt aufgrund der schlechten und unzureichenden Nahrung starb er 1944 nach 8 Tagen Transport mit Frachtkähnen und Güterwagen von Berlin zum KZ Dachau in den Armen eines Mitgefangenen starb.
Ausgerechnet in dieser Straße hält eine Partei eine Veranstaltung ab, die wie bereits ihre Vordenker vor hundert Jahren versucht die Gesellschaft zu spalten und Minderheiten, Andersdenkende und Religionsgemeinschaften auszugrenzen.
Ausgerechnet eine Partei, die wie kaum eine andere Partei in Deutschland seit Jahren für Ausgrenzung, Queer- und religionsfeindliche Äußerungen, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, antidemokratische Bestrebungen bekannt ist und nicht ohne Grund in Teilen unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht und immer wieder versucht das menschenverachtende Vokabular der NS Zeit in den täglichen Sprachgebrauch zu bringen und gleichzeitig durch ihren Funktionär Höcke: „eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ fordert.
Diese Partei will laut ihrer eigenen Werbung „normal“ sein. Aber für uns ist eine friedliche Gesellschaft mit emphatischem Engagement für die Schwachen: normal.
Wir werden mit unserer Mahnwache an Georg Heinrich Ludwig Gottfried Maus gedenken und mit ihm an die vielen Opfer des Nationalsozialismus. Dass auch heute noch Menschen Opfer der ideologischen Erben des Regimes in Deutschland und weltweit werden, zeigt auf, dass wir nie vergessen dürfen und immer wachsam gegenüber den Anfängen bleiben müssen.
Wir werden mit unserer Mahnwache auch ein Zeichen setzen. Wir zeigen, dass es Menschen gibt, die nicht wegschauen, Menschen die aufstehen und einstehen, Menschen die nicht vergessen wollen und Menschen die gegen das Vergessen erinnern.
Unsere Demokratie darf nicht das Lamm sein, das wartet, bis es zum Opfer der Wölfe wird, wie es sich ein Björn Höcke wünscht. Björn (Bernd) Höcke sagte– ohne negative Folgen für sein Amt und seine Parteimitgliedschaft – in seiner Funktion als Thüringer afd-Chef beim Kyffhäusertreffen 2018 in Sachsen-Anhalt unter anderem: „Heute, liebe Freunde, lautet die Frage nicht mehr Hammer oder Amboss, heute lautet die Frage Schaf oder Wolf. Und ich, liebe Freunde, meine hier, wir entscheiden uns in dieser Frage: Wolf.“ – damit verwurstete er nicht nur ein von Hitler selbst auf Parteitagen der NSDAP gerne verwendetes Zitat von Reichskanzler Bernhard von Bülow aus der „Hammer-oder-Amboss-Rede“ von 1899, sondern bringt auch noch den „Wolf-oder-Schaf-Vergleich“ von Goebbels aus einem Leitartikel der NSDAP-Zeitung „Der Angriff“ ins Spiel in dem dieser schrieb: „Wir kommen nicht als Freunde, auch nicht als Neutrale. Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in die Schafherde einbricht, so kommen wir!“.
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